Reflexionsfotografie

Techniken, Komposition und kreative Ideen

Reflexionsfotografie – die Kunst, Spiegelungen gezielt als Gestaltungsmittel einzusetzen – eröffnet Fotograf:innen eine faszinierende, umgekehrte Welt voller Magie. Ob in ruhigen Seen, glänzenden Glasfronten oder polierten Metalloberflächen: Spiegelungen verleihen Bildern Tiefe und verdoppeln das Motiv auf eindrucksvolle Weise. In diesem Beitrag lernst Du, wie Du Reflexionen in Wasser, Glas und Metall fotografisch einfängst, welche Kompositionsprinzipien (Symmetrie, Bildteilung, Negativraum) dabei helfen, und wie Polfilter sowie Langzeitbelichtung eingesetzt werden können. Außerdem stellen wir kreative Projektideen und Best Practices vor – ideal für Einsteiger, die ihre Fotografie auf das nächste Level heben möchten.

Techniken für Spiegelungen in Wasser, Glas und Metall

Spiegelungen im Wasser fotografieren
Spiegelungen kommen in der Natur am häufigsten auf Wasseroberflächen vor – sei es ein Bergsee, ein Fluss oder sogar eine Pfütze. Ruhiges Wasser wirkt dabei wie ein natürlicher Spiegel. Achte daher auf windstille Bedingungen: An Tagen mit wenig Wind gelingen klarere Reflexionen, da keine Wellen das Spiegelbild verzerren. Die Tageszeit spielt ebenfalls eine Rolle. In den frühen Morgenstunden oder zur Abenddämmerung (Goldene Stunde) ist das Licht weich und warm – perfekte Voraussetzungen für stimmungsvolle Spiegelungen. In dieser Zeit steht die Sonne tief und taucht Landschaft und Wasser in ein goldenes Licht, was Reflexionen besonders magisch wirken lässt. Vermeide hingegen die grelle Mittagssonne, die oft zu harten Kontrasten führt.

Ein weiterer Schlüssel ist die Kameraperspektive. Je flacher der Winkel zur Wasseroberfläche, desto stärker die Spiegelung – positioniere Dich also möglichst tief auf Höhe des Wassers für maximale Wirkung. Wenn Du hingegen direkt von oben ins Wasser fotografierst, wirst Du kaum Spiegelungen sehen. Experimentiere mit Deiner Haltung: manchmal lohnt es sich, in die Hocke zu gehen oder die Kamera knapp über der Wasseroberfläche zu platzieren (Vorsicht mit Spritzwasser!).

Falls kleine Wellen das Bild stören, kannst Du mit einer Langzeitbelichtung die Wasseroberfläche glätten. Durch eine längere Verschlusszeit verschwimmen Bewegungen im Wasser, die Oberfläche wirkt ruhig und glatt, sodass sich das Motiv klarer spiegelt. Kleine Wellen werden quasi „ausgebügelt“, und der See verwandelt sich in einen perfekten Spiegel. Für solche Aufnahmen ist ein Stativ unverzichtbar, damit das Bild scharf bleibt. Gegebenenfalls brauchst Du einen Graufilter (ND-Filter), um am Tag die Belichtungszeit ausreichend zu verlängern (siehe unten mehr dazu). Beachte aber: Bei sehr langen Belichtungen ziehen Wolken am Himmel Streifen oder sich bewegende Objekte verschwinden – das kann einen mystischen Effekt geben, aber plane es bewusst ein.

Nicht zuletzt: Belichte korrekt und vorsichtig, besonders wenn sich helle Lichtquellen im Wasser spiegeln. Direktes Sonnenlicht, das auf der Wasseroberfläche glitzert, erzeugt extrem helle Flecken (Lichtreflexe), die leicht überbelichten. Diese „Peaks“ der Reflexion können den Dynamikumfang Deiner Kamera überfordern – die hellen Stellen werden dann einfach weiß ohne Details. Um das zu vermeiden, belichte eher etwas knapper auf die Lichter. Zur Not kannst Du auch mehrere Belichtungen aufnehmen und per HDR-Technik zusammensetzen, um Details in Lichtern und Schatten zu erhalten. Ein zirkularer Polarisationsfilter auf dem Objektiv hilft ebenfalls, solche übermäßigen Spiegelungs-Höhepunkte abzuschwächen.

Spiegelungen in Glas fotografieren
Glasflächen – etwa Schaufensterscheiben, Bürofassaden oder Gewächshäuser – bieten spannende Möglichkeiten für Reflexionsfotos. Hier ist Winkel und Lichteinfall entscheidend. Tipp: Positioniere Dich so, dass Du das gewünschte Spiegelbild im Glas gut siehst, ohne dass störende Elemente (wie Deine eigene Kamera oder andere Lichtquellen) im Bild auftauchen. Oft hilft ein seitlicher Winkel: Fotografiere z.B. leicht schräg zur Schaufensterscheibe, anstatt frontal, um Dich selbst und den Kamerablitz aus der Reflexion herauszuhalten.

Glas reflektiert wie Wasser vor allem helles Licht, kann aber gleichzeitig durchsichtig sein. Überlege Dir, was Du hervorheben möchtest: die Spiegelung auf der Glasoberfläche oder das Motiv hinter dem Glas. Beides gleichzeitig scharf und klar abzubilden ist schwierig, da Reflexionen störend sein können (man denke an ungewollte Spiegelungen beim Fotografieren durch Fensterscheiben im Museum oder Aquarium). Ein Polarisationsfilter ist hier sehr nützlich – er blockiert polarisierte Lichtwellen und damit unerwünschte Spiegelungen auf Glas. Durch Drehen des Polfilters kannst Du steuern, wie viel vom Spiegelbild sichtbar bleibt. Möchtest Du z.B. ein Objekt hinter einer Glasscheibe fotografieren (etwa im Schaufenster) und Reflexionen minimieren, drehst Du den Polfilter, bis die Scheibe klar wird. Umgekehrt kannst Du eine gewollte Spiegelung betonen, indem Du den Filter so einstellst, dass nur ein Teil der Reflexion reduziert wird – so vermeidest Du starke Blendlichter, aber behältst die eigentliche Spiegelung im Bild. Beachte: Bei sehr schrägem Winkel zum Glas funktioniert der Polfilter am besten; direkt frontal weniger.

Ein praktischer Tipp: Saubere Scheiben! Klingt banal, ist aber wichtig. Fingerabdrücke oder Schmutz auf Glas werden durch seitliches Licht und Blitz stark sichtbar. Wische die Fläche nach Möglichkeit vorher ab oder wähle einen Bildausschnitt ohne solche Störungen. Und schalte beim Fotografieren durch Glas den Kamerablitz aus – der würde sich nur als weißer Fleck spiegeln.

Künstlerisch kannst Du mit Glas-Spiegelungen tolle Effekte erzielen. Beispielsweise lassen sich in einer modernen Glasfassade ganze Straßenszenen spiegeln – Gebäude, Menschen, Himmel – was ein Gefühl von Doppelwelt erzeugt. In der Street Photography nutzen viele Schaufenster, um ein Motiv gleichzeitig direkt und als Spiegelbild zu zeigen. Achte dabei auf interessante Zusammenhänge: Vielleicht spiegelt sich in der Fensterscheibe etwas, das in inhaltlichem Bezug zu dem dahinter ausgestellten Objekt steht. Solche Kompositionen ziehen den Blick des Betrachters magisch an.

Spiegelungen in Metall fotografieren
Metallische Oberflächen (z.B. poliertes Chrom, Autos, Metallskulpturen) spiegeln ihre Umgebung ebenfalls, stellen Fotograf:innen aber vor besondere Herausforderungen. Zum einen sind Reflexionen auf Metall meist sehr direkt und hell. Glänzende Metalle funktionieren wie ein Spiegel, der punktuelle Lichtquellen – etwa die Sonne oder Lampen – als grelle Lichtreflexe zurückwirft. Das Ergebnis sind oft überstrahlte Spitzlichter ohne erkennbare Details. Anders als Wasser oder Glas polarisieren Metallflächen das Licht kaum, daher ist ein Polfilter hier weniger wirksam. Du kannst also störende Reflexe auf purem Metall nicht einfach „wegdrehen“. Stattdessen musst Du mit anderen Mitteln arbeiten:

  • Belichtung anpassen: Vermeide es, dass Metallreflexionen im Foto komplett weiß ausfressen. Wie bei Glas gilt: lieber etwas unterbelichten, um die hellen Bereiche zu bändigen. Du kannst später in der Nachbearbeitung immer noch aufhellen, aber ausgebrannte Stellen sind verloren. Nutze ggf. Belichtungsreihe/HDR-Technik, wenn das Objekt es zulässt (z.B. bei statischen Motiven wie Autos oder Statuen). So kombinierst Du eine kürzer belichtete Aufnahme für die Highlights mit einer normal belichteten für die Mitteltöne und Schatten.
  • Licht steuern: Wenn Du die Möglichkeit hast, beeinflusse die Beleuchtung. Bei Metallobjekten in der Produktfotografie wird zum Beispiel oft mit Diffusoren und indirektem Licht gearbeitet. Ein bedeckter Himmel ist draußen Dein Freund – weiches, diffuses Licht erzeugt weniger aggressive Spiegelungen als strahlende Sonne. Im Studio kannst Du Lichtquellen so positionieren, dass das Spiegelbild des Lichts nicht in die Kamerarichtung zeigt. Hintergrundbeleuchtung (Licht von hinten durchs Objekt, bei transluzenten Materialien) oder große Softboxen seitlich können Reflexe abschwächen.
  • Winkel wählen: Überlege Dir, was sich im Metall spiegelt und aus welcher Perspektive das am interessantesten aussieht. Bei einer verchromten Autoscheinwerfer oder einem Motorrad-Tank kannst Du durch leichtes Verändern des Aufnahmewinkels entscheiden, was gespiegelt wird (Himmel, Umgebung, eventuell Du selbst). Für kreative Zwecke kann man hier spielen: Ein Weitwinkelobjektiv nahe an eine Chromfläche gehalten erzeugt eine ultra-weite, verzerrte Spiegelung der Umgebung – so etwas kann spannende, fast kugelspiegelartige Bilder ergeben.

Generell gilt bei Metall: Details im Spiegelbild sind schwer herauszuarbeiten, da die Reflexion oft unscharf und überstrahlt ist. Nutze sie daher eher grafisch – z.B. als helle Highlights, Linien oder abstrakte Muster, anstatt zu versuchen, perfekte Szenen darin zu erkennen. Eine schöne Idee für ein Fotoprojekt ist es dennoch, gezielt Metall-Reflexionen einzufangen: Etwa die Stadtlandschaft, gespiegelt in der Chromfelge eines Oldtimers. Solche Bilder erfordern etwas Geduld bei der Komposition, lohnen sich aber durch ihre ungewöhnliche Perspektive.

Kompositionsprinzipien: Symmetrie, Teilung und Negativraum

Eine der größten Stärken der Reflexionsfotografie liegt in symmetrischen Bildkompositionen. In der klassischen Fotolehre lernt man zwar häufig die Drittel-Regel, bei Spiegelungen darfst (und sollst) Du diese jedoch ruhig ignorieren. Symmetrie bedeutet hier: Das obere Bildhälfte (Realität) und die untere Bildhälfte (Spiegelung) sind einander ähnlich oder sogar nahezu identisch. Indem Du die Spiegelachse – oft der Horizont oder Wassersaum – zentral ins Bild legst, betonst Du diese natürliche Symmetrie. Die resultierende horizontale Spiegelung vermittelt dem Auge Harmonie und Ruhe. Gerade bei Landschaften mit Wasser spürt man sofort die besondere Stimmung: Das doppelte Motiv und die Achsensymmetrie wirken fast meditativ.

Natürlich gibt es auch hier kreative Freiheiten. Symmetrie muss nicht sklavisch exakt sein – manchmal sorgt eine kleine Abweichung für Spannung. Doch als Gestaltungsprinzip liefern Spiegelungen quasi eine eingebaute Komposition: Das Bild teilt sich in zwei Hälften, was bereits Ordnung schafft. Viele gelungene Reflexionsfotos ordnen die Elemente entlang einer zentralen Linie an (der Spiegelungslinie), wie oben beim See-Beispiel. Wenn Wasser und Landschaft gemeinsam das Motiv bilden, kannst Du überlegen, beide Hälften gleich groß im Foto zu zeigen. Ein Verhältnis 50/50 – entgegen der Drittel-Regel – unterstreicht die Gleichwertigkeit von Objekt und Spiegelbild. Das funktioniert besonders dann gut, wenn die Wasseroberfläche spiegelglatt ist und ein klares, verzerrungsarmes Abbild liefert.

Neben Symmetrie ist auch Negativraum ein wichtiges Stichwort. Als Negativraum bezeichnet man freie, „leere“ Flächen im Bild, die dem Hauptmotiv Raum geben und das Auge lenken. In der Reflexionsfotografie kann Negativraum z.B. ein großer Bereich ruhiges Wasser oder ein klarer Himmel sein. Diese Flächen enthalten oft nur Textur oder sanfte Farbverläufe, aber keine dominanten Details – und lenken dadurch den Blick auf das eigentliche Motiv. So trägt in einer Komposition etwa der spiegelnde See und der Himmel zum Negativraum bei, der um das zentrale Motiv (z.B. einen Baum) herum entsteht. Trotz der Spiegelung sind diese Elemente nicht das Hauptthema, sondern Unterstützung: Sie geben dem Foto Atmosphäre und Kontext, ohne vom Motiv abzulenken.

Für Dich bedeutet das: Habe Mut zur Leere! Du musst nicht das ganze Bild mit Objekten füllen. Ein kleineres Motiv, umgeben von viel ruhig gespiegeltem Wasser, kann sehr eindrucksvoll sein – es vermittelt Weite und oft eine gewisse Stille. Achte allerdings darauf, dass der Negativraum nicht zum toten Raum wird. „Tot“ wäre er, wenn er wirklich keinerlei Beitrag zur Stimmung leistet. Beispielsweise ein komplett weißer Himmel und ein komplett weißes, vom Himmel überstrahltes Wasser würden nur Leere ohne Detail ergeben – das wirkt langweilig oder unfertig. Besser ist es, wenn entweder Farbe, sanfte Wolken oder Strukturen vorhanden sind, die dem Negativraum Substanz geben (z.B. pastellfarbene Dämmerungslichter im Himmel und deren Spiegelung im Wasser). Dann unterstützt der freie Raum Dein Motiv, anstatt einfach ungenutzt zu bleiben.

Zusätzlich kannst Du mit Führungslinien und Rahmungen arbeiten: Reflexionen bieten oft die Möglichkeit, das Auge gezielt zu leiten. Beispiel: die Linie des Ufers oder einer Brücke, die sich im Wasser spiegelt, führt den Blick ins Bild hinein. Auch kannst Du den Spiegel selbst als Rahmen nutzen – etwa ein zusammengesetztes Bild, in dem ein Spiegel im Vordergrund einen Ausschnitt der Szene reflektiert. All diese kompositorischen Überlegungen – Symmetrie, Negativraum, Linien – helfen dabei, Reflexionsfotos ordnungsvoll und doch spannend wirken zu lassen.

Einsatz von Polfiltern und Langzeitbelichtung

Polfilter: Reflexionen kontrollieren
Der zirkulare Polarisationsfilter ist quasi der „Geheimtipp“ bei allen Spiegelungen auf nicht-metallischen Flächen. Er wirkt wie ein Licht-Filter, der reflektiertes, polarisiertes Licht teilweise ausblendet. Praktisch heißt das: Ein Polfilter reduziert störende Spiegelungen auf Wasser, Glas, Lack etc., und lässt satte Farben und Kontraste zum Vorschein kommen. Himmel erscheinen mit Polfilter blauer, Laub grüner, und eben spiegelnde Oberflächen weniger blendend. Für Landschaftsfotos ist das Gold wert – z.B. kannst Du mit Polfilter oft durch Wasser hindurch fotografieren, weil die Reflexion der Wasseroberfläche so weit gedämpft wird, dass der Blick auf den Grund frei wird. Auch bei Aufnahmen durch Schaufenster oder Auto-Scheiben eliminiert der Polfilter viele Reflexe, sodass das Dahinter liegende sichtbar wird.

Wichtig zu wissen: Ein Polfilter entfernt nicht jede Reflexion komplett. Vielmehr kannst Du durch Rotation des Filters bestimmen, wie stark der Effekt ist. Schaue durch den Sucher (oder Live-View) und drehe langsam am Polfilter – Du wirst sehen, wie sich Reflexionen aufhellen oder abdunkeln. Stelle den Grad ein, der Dir gefällt. Manchmal ist es sogar sinnvoll, nicht die maximal mögliche Dämpfung zu wählen: Ein leichter Restspiegel kann dem Bild Realismus und Tiefe geben. Außerdem können Polfilter, entgegen einem verbreiteten Mythos, auch dazu beitragen, eine Spiegelung zu verstärken. Indem sie nämlich das grelle Glitzern entfernen, kommt das eigentliche Spiegelbild klarer hervor. Im Zweifelsfall: ausprobieren!

Behalte die Grenzen im Hinterkopf: Auf Metall wirkt der Polfilter kaum – blanke Chrom- oder Stahlflächen bleiben also weiterhin schwierig. Zudem schluckt ein Polfilter etwas Licht (typisch 1–2 Blendenstufen), was Du ggf. mit längerer Belichtung oder höherem ISO ausgleichen musst. Bei Weitwinkelobjektiven und blauem Himmel kann ein Polfilter zu Ungleichmäßigkeiten führen (der Himmel wird dann unregelmäßig dunkel gefärbt), das ist bei Spiegelungen aber selten ein Problem, da man den Effekt meist nur in einem Bereich einsetzt.

ND-Filter und Langzeitbelichtung: Zeit für Kreativität
ND-Filter (Neutraldichte- oder Graufilter) sind wie Sonnenbrillen für Deine Linse – sie dunkeln das Bild gleichmäßig ab, um längere Belichtungszeiten zu ermöglichen. In der Reflexionsfotografie sind sie besonders dann hilfreich, wenn Du eine bewegte Oberfläche glätten willst (z.B. fließendes Wasser) oder Menschen/Objekte aus viel frequentierten Szenen „verschwinden“ lassen möchtest. Wie oben erwähnt, kann eine lange Belichtungszeit Wasser spiegelglatt machen. Ein starker ND-Filter (etwa 6, 10 oder mehr Blendenstufen) ermöglicht Belichtungen von mehreren Sekunden selbst am helllichten Tag. So verschwinden kleine Kräuselungen auf dem See – die Reflexion wird zwar minimal weicher als bei absolut stiller Oberfläche, aber immer noch deutlich erkennbar. Ein Beispiel: Mit einem ND1000-Filter (~10 Blendenstufen) lässt sich die Belichtungszeit auf ~30 Sekunden strecken; Wellen werden in dieser Zeit komplett gemittelt, der See wirkt wie ein glatter Spiegel.

Auch in der Stadt kannst Du ND-Filter kreativ einsetzen: Fotografierst Du z.B. ein bekanntes Gebäude mit Spiegelung in einer Pfütze und möchtest keine Passanten im Bild, belichte einfach lange (mehrere Sekunden oder Minuten). Sich bewegende Menschen „verwischen“ oder werden gar nicht erst abgebildet, wenn die Belichtung lang genug ist. Übrig bleiben die statischen Elemente – Gebäude und Spiegelung – ohne die störenden Menschenmassen. Das Ergebnis hat fast etwas Geisterhaftes und erlaubt Dir, Orte belebt wirken zu lassen, aber ohne sichtbare Personen.

Praxis-Tipps zur Langzeitbelichtung:

  • Verwende stets ein stabiles Stativ. Selbst kleinste Erschütterungen ruinieren die Schärfe bei langen Zeiten.
  • Nutze einen Fernauslöser oder den Selbstauslöser (2 s oder 10 s Verzögerung), um Verwacklungen beim Drücken des Auslösers zu vermeiden.
  • Deaktiviere gegebenenfalls den Bildstabilisator am Objektiv, wenn auf Stativ – dieser kann sonst manchmal selbst Verwacklung verursachen.
  • Und decke den Sucher ab (bei DSLR), damit kein Licht von hinten einfällt während der Belichtung.

Zuletzt: Kombination Pol + ND. Ja, Du kannst Polfilter und ND-Filter gemeinsam einsetzen – z.B. um sowohl Reflexionen zu steuern als auch lange zu belichten. Viele Landschaftsfotografen machen das. Achte nur auf hochwertige Filter, um Bildqualitätseinbußen zu vermeiden, und auf Vignettierung (bei Weitwinkel, zwei Filter übereinander). In manchen Filter-Systemen gibt es auch kombinierte Pol-ND-Filter. Wenn Du beide einsetzt, stelle erst den Polfilter-Effekt ein, dann starte die lange Belichtung.

Kreative Fotoprojekte und Best-Practice-Beispiele

Pfützen und Straßen:
Unterschätze nie die kleinen Spiegel im Alltag! Nach einem Regenschauer bieten Pfützen fantastische Möglichkeiten für kreative Spiegelungen. Sie sind leicht zugänglich, bewegen sich nicht und liegen oft an ungewöhnlichen Orten. Du kannst z.B. in der Stadt eine tiefe Pfütze nutzen, um darin Architektur oder Neonlichter zu spiegeln. Gehe nah ran – oft wirkt es am besten, wenn die Kamera direkt auf Bodenhöhe zur Pfütze ist, um eine große Spiegelungsfläche zu haben. So kann aus einer banalen Wasserlache ein magisches Fenster in eine andere Welt werden. Übrigens: Sonne nach Regen ist ideal, denn dann hast Du kräftige Spiegelungen. In schattigen Pfützen kommen Reflexionen noch deutlicher zur Geltung. Trau Dich, den Bildausschnitt mal nur mit der Pfütze und dem Spiegelbild zu füllen – das eigentliche Objekt siehst Du dann gar nicht, nur seine Spiegelung, was sehr surreal wirken kann.

Klare Konzeptfotos mit Spiegeln:
Du kannst Reflexionen auch künstlich erzeugen. Ein beliebtes Trick-Accessoire ist ein Handspiegel oder ein alter Spiegel, den Du mit ins Bild nimmst. Draußen in der Natur aufgestellt, kann ein Spiegel zum Beispiel den Himmel oder Bäume reflektieren, sodass es aussieht, als schwebe ein Stück Himmel am Waldboden. Solche Inszenierungen verleihen Porträts oder Stillleben einen geheimnisvollen Touch. Ebenso kannst Du mit mehreren Spiegeln experimentieren, um doppelte Reflexionen zu erzeugen – ein Motiv wird dann aus verschiedenen Winkeln gleichzeitig gezeigt. Auch ein Smartphone eignet sich als kleiner Spiegel: Halte das ausgeschaltete Handy unter das Objektiv – auf dem Display spiegelt sich die Szenerie und erzeugt unten im Bild einen künstlichen Spiegelungseffekt. Diese Technik verwenden viele Fotografen, um ohne Wasser vor Ort trotzdem einen Reflexions-Look zu erzielen.

Bildeffekte durch Rotation:
Ein einfacher, aber wirkungsvoller kreativer Kniff: Drehe das fertige Foto auf den Kopf! Wenn Du eine perfekte Spiegelung in Wasser aufgenommen hast, probiere mal, das Bild 180° zu rotieren. Die Grenze zwischen Realität und Spiegelbild verschwimmt, der Betrachter muss zweimal hinschauen. Man erhält den Eindruck einer abstrakten, umgekehrten Welt – oft sehr reizvoll und fast wie aus einem Märchen. Einige Fotografen stellen solche Bilder auch paarweise aus: einmal normal und einmal auf dem Kopf stehend – als „Tür zur umgekehrten Welt“, durch die man blicken kann.

Beste Praxis: Vorbereitung und Ausrüstung:
Zur Ausrüstung wurde schon einiges gesagt (Stativ, Filter). Ergänzend hier ein paar erprobte Tipps:

  • Trage bei Fotos an Gewässern am besten Gummistiefel oder wasserdichte Schuhe! Damit kannst Du auch mal ein paar Schritte ins seichte Wasser gehen, um einen besseren Winkel zu bekommen. Perspektiven direkt vom Ufer aus hat jeder – aber mit Stiefeln kannst Du z.B. einen überhängenden Vordergrund vermeiden oder näher ans spiegelnde Motiv heran.
  • Außerdem essenziell: Mikrofasertuch oder Lenspen, denn wo Wasser ist, gibt es Spritzer. Schon feine Wassertröpfchen oder Nebel auf der Frontlinse können im Gegenlicht als Schleier sichtbar werden und Dein Bild ruinieren. Kontrolliere daher zwischendurch die Linse und wische sie trocken. Ebenso sollten eventuelle Filter sauber sein – Flecken und Fingerabdrücke fallen bei Himmel/Spiegelungsflächen schnell ins Auge.

Kenntnis der Location & Planung:
Einige der besten Spiegelungsfotos entstehen an bekannten Orten zur richtigen Zeit. Informiere Dich über Spots, die für ihre Reflexionen berühmt sind. In der Natur sind das oft Seen mit Bergpanorama, in der Stadt z.B. moderne Architektur mit Wasserbecken. Berühmte Beispiele sind der Rurikoin-Tempel in Kyoto (wo sich im Tisch eine Gartenlandschaft spiegelt) oder Strände wie Chichibugahama in Japan, die bei Ebbe riesige „Spiegel“ aus nassem Sand bilden. Solche Orte lohnen einen Besuch, aber Du kannst genauso gut in Deiner Umgebung auf Entdeckung gehen: Nach Regen verwandelt sich vielleicht ein Parkweg in einen Spiegel, oder auf dem Autodach vom Nachbarn spiegelt sich der Abendhimmel. Planung hilft vor allem in Bezug auf Wetter (Wind und Licht), aber auch ein spontaner Blick für Situationen schärft Deine Fähigkeiten. Halte Ausschau nach ungewöhnlichen Spiegelungen im Alltag – beispielsweise glänzende Marmorböden, Sonnenbrillen, Kaffeemaschinen, Pfützen in U-Bahn-Stationen… Die Welt bietet unzählige Spiegel, man muss sie nur sehen.

Zum Schluss noch ein Motivationstipps: Reflexionsfotografie erfordert etwas Übung, vor allem um Technik und Kreativität zu verbinden. Aber es braucht keine High-End-Ausrüstung. Selbst mit dem Smartphone kannst Du beeindruckende Spiegelungsfotos machen, wenn Du ein gutes Auge für Motiv und Licht hast. Wichtig ist, dass Du experimentierst und keine Angst hast, Regeln zu brechen. Ob perfekte Symmetrie oder abstrakte Verzerrung – spiel mit Deinen Möglichkeiten. Die Spiegelwelt hält viele magische Momente bereit. Also schnapp Dir die Kamera, begib Dich auf die Suche nach dem nächsten Spiegel und probiere es aus – warum nicht gleich beim nächsten Regen oder am nächsten ruhigen Morgen am See? Viel Spaß und gut Licht!

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